CO2-Bilanzen verstehen und richtig vergleichen!

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Auf dem Weg zur Klimaneutralität wird die Zukunftsfähigkeit unterschiedlicher Antriebsoptionen für PKW und andere Verkehrsträger intensiv diskutiert. Dabei werden mögliche Technologien mit starkem Fokus auf ihre spezifischen CO2-Emissionen verglichen. Politiker, Akademiker und Wirtschaftsvertreter bedienen sich gerne der CO2-Argumentation, um ihren Standpunkt zu einzelnen Technologien zu bekräftigen. In der Regel können diese Aussagen auch durch entsprechende Studienergebnisse untermauert werden.

Auffällig ist jedoch, dass es scheinbar zu jeder Aussage eine solche wissenschaftliche Herleitung gibt. Insbesondere wenn dabei gegensätzliche Positionen ausgedrückt werden, ist die Verwirrung vorprogrammiert.

Im PKW-Segment werden üblicherweise vier Technologien miteinander verglichen:

  1. Verbrennungsmotorisches Fahrzeug (ICE = Internal Combustion Engine)
  2. Batterie-Elektrisches Fahrzeug (BEV = Battery Electric Vehicle)
  3. Plug-In Hybrid Fahrzeug (PHEV = Plug-In Hybrid Electric Vehicle)
  4. Brennstoffzellen Fahrzeug (FCEV = Fuel-Cell Electric Vehicle)

Auch wenn unterschiedliche Kraftstoffe die Klimawirkung des Verbrenners beeinflussen, werden in einer qualitativen Gegenüberstellung nicht alle Kraftstoffvarianten als separate Kategorie des Verbrenners geführt (Benzin, Diesel, Biokraftstoffe, CNG, LPG, E-Fuels).

Die Diskussion um den nachhaltigsten Antrieb ist nicht nur durch die emotionale Komponente komplex. Auch aus rationaler Perspektive ergeben sich einige Herausforderungen im Vergleich von CO2-Bilanzen unterschiedlicher Antriebstechnologien.

Im ersten Schritt muss geklärt werden, über welche CO2-Emissionen eigentlich gesprochen wird. Hierzu muss die Betrachtungsgrenze der entsprechenden Bewertung definiert werden. Dabei können fünf Abschnitte auf dem Lebensweg eines Fahrzeugs berücksichtigt werden: die Rohstoffgewinnung, Fahrzeugproduktion und -auslieferung, die Kraftstoffproduktion und -auslieferung, die Fahrzeugnutzung und abschließend das Fahrzeugrecycling.

Innerhalb dieses Schemas gibt es vier gängige Ansätze für die Bilanzierung von CO2-Emissionen. Üblicherweise wird hierbei mit den englischen Bezeichnungen gearbeitet:

  1. Tank-to-Wheel Ansatz (TtW)
    Es wird der Abschnitt vom „Tank bis zum Reifen“ betrachtet. Dabei handelt es sich um die CO2-Emissionen, die während der Energiewandlung im Fahrzeug entstehen. Also genau das CO2, welches physisch am Fahrzeugauspuff emittiert wird.
  2. Well-to-Tank Ansatz (WtT)
    Es wird der Abschnitt vom “Bohrloch bis zum Tank” betrachtet. Dabei handelt es sich um die CO2-Emissionen, die während der Produktion des Energieträgers entstehen.
  3. Well-to-Wheel Ansatz (WtW)
    Es wird der Abschnitt vom “Bohrloch bis zum Reifen” betrachtet. Es dreht sich also um die Summe der Tank-to-Wheel und Well-to-Tank Emissionen. Berücksichtigt werden dabei alle Emissionen, die während der Betriebsphase eines Fahrzeugs verursacht werden, direkt am Fahrzeugauspuff und indirekt während der Kraftstoffherstellung.
  4. Life-Cycle Ansatz (LCA)
    Es wird der gesamte Lebenszyklus eines Fahrzeugs betrachtet. Gegenüber dem Well-to-Wheel Ansatz wird auch die Rohstoffgewinnung, die Fahrzeugproduktion und das Recycling des Fahrzeugs am Lebensende berücksichtigt. Dieser Ansatz wird auch mit dem Ausdruck „from cradle to grave“ oder im Deutschen „von der Wiege bis zur Bahre“ bezeichnet.

Allein die Auswahl dieser möglichen Bilanzierungsgrenzen hat massiven Einfluss auf das Ergebnis eines CO2-Vergleiches. Der Life-Cycle Ansatz ist in Hinblick auf die Klimawirkung am aussagekräftigsten und trotzdem haben die anderen Bilanzierungsansätze ihre Daseinsberechtigung. Um allerdings Aussagen richtig einordnen zu können, ist es extrem wichtig zu wissen, welcher Ansatz einem entsprechenden Vergleich zugrunde liegt.

Gängig für die Visualisierung von CO2-Bilanzen ist die Darstellung in einem Diagramm. Dort werden die absoluten CO2-Emissionen über die Laufleistung aufgetragen. Im Vergleich der alternativen Antriebe gegenüber dem etablierten Verbrenner kann stets eine Verlagerung der CO2-Emissionen aus der Betriebsphase in die Produktion und das Recycling des Fahrzeugs festgestellt werden. Ausschlaggebend sind dabei die antriebsspezifischen Komponenten wie die Batterie, der Brennstoffzellenstack oder der Wasserstofftank.

Wie die elektrifizierten Antriebe gegenüber dem Verbrenner und auch im Vergleich untereinander abschneiden, hängt von drei wesentlichen Annahmen des Vergleiches ab.

  1. Batteriegröße
    Die CO2-Emissionen hängen direkt von der Batteriekapazität ab. Je größer die Batterie für den Vergleich festgelegt wird, desto höher fallen die CO2-Emissionen der elektrifizierten Antriebe aus.
  2. Art der Energieerzeugung
    Jeder relevante Energieträger in diesen Vergleichen kann über unterschiedliche Erzeugungspfade hergestellt werden. Mit der Art der Erzeugung werden wiederum sehr unterschiedliche CO2-Emissionen assoziiert.
  3. Laufleistung der Fahrzeuge
    Die spezifischen CO2-Emissionen aus der Betriebsphase eines Fahrzeugs, also CO2-Emissionen pro Kilometer, werden über die gesamte Laufleistung aufsummiert. Die Festlegung der betrachteten Laufleistung definiert daher die Gewichtung der Betriebsphase gegenüber dem restlichen Lebenszyklus.

Für alle CO2-Vergleiche unterschiedlicher Antriebsoptionen müssen geeignete Annahmen für diese Input-Parameter getroffen werden. Dabei gibt es leider kein „richtig“ oder „falsch“, sondern jede Annahme muss auf Basis einer plausiblen Argumentation festgelegt werden. Das Ergebnis derartiger Vergleiche lässt sich über diese Annahmen jedoch sehr leicht in eine gewünschte Richtung bewegen. Alle Parameter müssen dabei zur gleichen Zeit definiert werden, sodass sich an unterschiedlichen Stellschrauben gleichzeitig drehen lässt.

Für den Laien ist daher auf den ersten Blick kaum festzustellen, ob ein erwünschtes Ergebnis durch fragwürdige Festlegung von Annahmen gezielt herbeigeführt wurde. Es lohnt sich also stets einen Blick auf das Kleingedruckte zu werfen und sich nicht von pauschalen Aussagen beirren zu lassen!

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