In der Gemeinde Grömitz im Kreis Ostholstein wird derzeit das Baugebiet B89.1 – Kirchkoppel entwickelt. Zunächst war für dieses Baugebiet eine Gasversorgung vorgesehen, durch die eine Heizung der Gebäude mit dezentralen Gasbrennwertkesseln ermöglicht werden sollte. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Energiekrise im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine entschied sich die Gemeinde, von dieser Planung Abstand zu nehmen. Stattdessen beauftragte sie die H2Perform GmbH mit der Durchführung einer Machbarkeitsstudie, die im Rahmen der Bundesförderung für Effiziente Wärmenetze (BEW) Modul 1 gefördert wird. Ziel war die Entwicklung eines Konzeptes für ein Nahwärmenetz, das eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung der Anwohnerinnen und Anwohner zu wettbewerbsfähigen Wärmepreisen ermöglicht.
Es wurde zunächst der Wärmebedarf des gesamten Quartiers ermittelt und auf etwa 690 MWh/a beziffert. Aus der Potentialermittlung für Erneuerbare Energien im Umkreis des Baugebiets ergab sich insbesondere für die Einbindung der Geothermie eine vielversprechende Ausgangslage, die zur Integration dieser Wärmequelle in das Gesamtkonzept führte. Weiterhin empfahl sich ein strombasiertes System auf Basis von Wärmepumpen, um lokale Grünstromprojekte in das Projekt einbinden zu können. Es wurden Potentialstandorte für Kleinwindkraftanlagen, eine Großwindkraftanlage im Rahmen der Gemeindeöffnungsklausel und PV-Freiflächenanlagen ermittelt.
Im Rahmen einer digitalen Modellbildung und Simulation wurden verschiedene Konzeptvarianten untersucht und die nötigen Technologien dimensioniert. Auf Basis der resultierenden Primärenergiebedarfe, CO2-Emissionen, Investitions- und Betriebskosten und dem Potential zur Integration lokaler Grünstromprojekte wurde ein bivalentes Versorgungskonzept als favorisierte Option ausgewählt. Es handelt sich um eine Kombination aus einer Luftwärmepumpe und einer Erdwärmepumpe. Dabei wurde zunächst mit reinem Netzbezug für den Strombedarf geplant, um keine Abhängigkeit von der Umsetzung lokaler Grünstromprojekte herzustellen.
Tiefergehende Analysen haben das Potential der oberflächennahen Geothermie bewertet. Zu diesem Zweck wurde eine Probebohrung von der Firma GeoHanse GmbH durchgeführt und eine Testsonde installiert. An dieser Sonde wurde ein Geothermal Response Test durch das Ingenieurbüro HSW Gesellschaft für Energie und Umwelt mbH ausgeführt und für die Entwurfsplanung des Sondenfeldes zugrunde gelegt. Die Firma Ramboll Deutschland GmbH hat das Wärmekonzept bis zu einer Reife entsprechend der Leistungsphase 3 der HOAI fachlich geplant. Alle Teilergebnisse sind in die Machbarkeitsstudie von H2Perform eingeflossen.
Es zeigt sich, dass die gemeinschaftliche Wärmeversorgung in Grömitz mittels eines bivalenten Wärmekonzepts aus Luftwärmepumpe und Erdwärmepumpe technisch und wirtschaftlich für das Neubaugebiet umsetzbar ist. Das erarbeitete Konzept spart 50 % der Primärenergie und 84 % der CO2-Emissionen des konventionellen Referenzszenarios ein. Dabei ist es bereits ab Inbetriebnahme zu 99 % treibhausgasneutral gemäß der Definition der BEW. Durch den Anschluss an lokale Grünstromprojekte steigt die Treibhausgasneutralität auf 100 % an und die CO2-Emissionen sowie der Primärenergiebedarf sinken weiter ab.
Nach Abschluss der Machbarkeitsstudie wird die Entscheidungsfindung innerhalb der kommunalpolitischen Gremien durch H2Perform weiter begleitet.
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